Inklusions-Pegel - Der Newsletter zu inklusiver Bildung in Deutschland

Inklusions-Pegel April 2020

Ausgabe Nr. 4

Neues zum Thema Inklusive Bildung, liebe Leute!

Heute erhalten Sie eine neue Ausgabe unseres Newsletters INKLUSIONS-PEGEL, dem Folgeprojekt unserer Kampagne zum Film DIE KINDER DER UTOPIE. Hier berichten wir jeden Monat, was in Deutschland rund um die Umsetzung von Artikel 24 — inklusive Bildung — der UN-Behindertenrechtskonvention passiert. Dabei versuchen wir einerseits, die Bundesländer und Kommunen als Akteure der Schulpolitik im Blick zu behalten, und andererseits, die Nachrichten nach bundesweiter Relevanz zu filtern.

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Ihr mittendrin e.V.

Kommentar: Die Eule spricht

„In der Krise beweist sich der Charakter“, hat der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt gesagt. Das lässt sich im Moment auch unter den Lehrerinnen und Lehrern beobachten. Und deshalb sei hervorgehoben:

Wir erleben zur Zeit Lehrer*innen, die über sich selbst hinauswachsen. Die sich in kürzester Zeit draufschaffen, wie sie einen guten Online-Unterricht gestalten können und dafür nicht auf Anweisungen von oben warten. Die mit ihren Schüler*innen per Videokonferenz in Kontakt bleiben, interessanten Lernstoff anbieten, in dieser unsicheren Lage für Fragen und Sorgen zur Verfügung stehen und sich zur Not auf´s Fahrrad schwingen, um mit dem Lernmaterial bei denjenigen Schüler*innen an der Wohnungstür zu klingeln, die sie online nicht erreichen können.

Wir erleben auch die anderen Lehrer*innen, die seit Mitte März bei vollen Bezügen auf Kurzarbeit (nahezu) Null sind. Die ihre Schüler*innen mit kargem Lernmaterial allein lassen, einfach auf handelsübliche Lern-Apps verweisen oder gleich gar nicht erreichbar sind. Und die angesichts der schrittweisen Wiederöffnung der Schulen jetzt den Infektionsschutz für sich entdecken.

Beim Thema Infektionsschutz offenbaren diese anderen Lehrer*innen, wie sie wirklich über ihre Schüler*innen denken, und über ihre Arbeit. So werden Sie in diesem Inklusions-Pegel lesen, dass die Schulleiterin einer Geistigbehindertenschule behauptet, dass ihre Schüler*innen generell nicht in der Lage seien, die Hygieneregeln zu befolgen. Was erstens falsch und zweitens eine zutiefst diskriminierende Verallgemeinerung ist - und in Bezug auf den Bildungsanspruch dieser ihrer Schule Böses ahnen lässt. Nämlich den pädagogischen Hintergedanken: Die lernen eh nichts.

Andere scheuen sich nicht zu fordern, dass Förderschulen generell bitte aus Gründen des Infektionsschutzes geschlossen bleiben sollen. Man sehe zwar das Recht dieser Schüler*innen auf Bildung, aber um reine Wissensvermittlung gehe es in der Förderschule ja nicht, und eine sonderpädagogische Förderung sei bei Einhaltung des Mindestabstands nicht möglich. Auch hier stellt die Krise den Blick scharf: Dass es in Förderschulen oftmals nicht wirklich um Bildung geht, wurde bis Anfang März dieses Jahres stets empört zurückgewiesen.

Das alles ist eine Bankrotterklärung der Sonderpädagogik. Wann, wenn nicht jetzt, käme die Sternstunde dieser Disziplin für individuelle (Krisenbewältigung!) und lebenspraktische (Hygieneregeln!) Förderung, für innovative und flexible Unterrichtskonzepte?

Es ist zugleich eine Bankrotterklärung des Beamtentums. Der Beamte genießt Sicherheit und Privilegien, weil er sich im Gegenzug verpflichtet dort zu arbeiten, wo der Staat ihn braucht. Doch während überall im Land deutlich schlechter bezahlte und zum Teil prekär beschäftigte Verkäufer*innen, Sanitäter*innen, Kranken-, Alten- und Behindertenpfleger*innen, Müllfahrer und Supermarkt-Türsteher*innen trotz erhöhter Infektionsgefahr den Laden am Laufen halten, weigert sich ein Teil der Pädagog*innen zu arbeiten, weil sie nicht in jeder Situation den empfohlenen Mindestabstand zu ihren Schüler*innen halten können?

In der Krise beweist sich, welche gesellschaftlichen Debatten überfällig sind. Dazu zählen Debatten über Verantwortung, über Berufsethos, über die Achtung von Schüler*innen mit Behinderung – und über Sinn und Umsetzung des Dienstrechts.

Die Themen im April

Inklusive Krisen-Schule

Der Alltag ist aus dem Tritt und unsere Schulen stellen fest, dass sie keine Antwort haben auf die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen ihrer Schüler*innen. Inklusive Schulen sind da im Vorteil und damit deutlich krisenfester.

Schule während Coronakrise: Wenn nur noch WhatsApp weiterhilft

Anna Lehmann / taz / 02.04.2020

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Der Direktor der Berg Fidel Schule in Münster sitzt auf einer Schaukel


Exklusion in der Krise

Auch nach sechs Wochen Krisenmodus bleiben die Familien von Kindern mit Behinderung auf sich allein gestellt. Die rundum versorgende und beschützende Sonderschule ist weg – und will so schnell auch nicht wiederkommen.

Und die Förderschulen?

Ralf Pauli / taz / 21.04.2020

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Eine Gehhilfe steht im Schulflur


Recht auf Bildung / 1

Überall im Land kommen Stimmen auf, die Förderschulen geschlossen zu halten, während die allgemeinen Schulen wieder öffnen. Und plötzlich wird klar, dass selbst Lehrer*innen das Recht auf Bildung von Schüler*innen mit Behinderung weniger wichtig finden.

„Behinderte Schüler*innen haben das gleiche Recht auf Bildung”

Lilian Masuhr / Die neue Norm / 29.04.2020

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Zwei Kinder sitzen an einem Tisch und machen Hausaufgaben. Eine Frau mit langen schwarzen Haaren beugt sich zu dem Mädchen mit Behinderung herunter.


Recht auf Bildung / 2

Keine Schule, keine Schulbegleitung. Mit dieser schlichten Logik verweigern Sozialämter vielerorts in Deutschland Schüler*innen mit Behinderung jegliche Unterstützung im Home-Schooling. Und noch immer gibt es keine Klarstellung der Landesregierungen an ihre Kommunen, dass Home-Schooling nicht „Ferien“ bedeutet und das Sozialgesetzbuch weiterhin gilt.

Verzweifelte Eltern, starre Bürokratie und Kinder als Verlierer

rosenheim24 / 24.04.2020

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Tabitha Licht und Thomas Stingl, das Leitungsteam der TnT Pflegeberatung


Prüfung oder Pädagogik

In Nordrhein-Westfalen kritisieren Lehrer- und Elternverbände die aus ihrer Sicht überhastete Wiederöffnung der Schulen und die Fixierung der Schulpolitik auf Abschlüsse statt auf Pädagogik. Sie fordern auch in der Krise eine Bildungsperspektive für alle.

Schulen können sicher nicht am 20. April 2020 wieder öffnen. Keine Prüfungen im laufenden Schuljahr 2019/2020

Berthold Paschert / gew-nrw / 14.04.2020

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Schild mit Ausrufezeichen vor einer Schultafel

… und wenden sich gegen die drohende Benachteiligung von Schüler*innen mit Behinderung.

Recht auf Bildung für Alle!

mittendrin e.V. / 30.04.2020

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Abitur mit Risiko

Auch Abiturienten können eine Behinderung haben. Wie die „Risikogruppe“ das Corona-Abi bewältigt.

Lernen unter besonders hohem Risiko

Sabine Buchwald / Süddeutsche Zeitung / 26.04.2020

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Portrait des Schülersprechers Yannick Andricek


Bildungsgerechtigkeit

Die Schulpolitik versucht ihre Regeln und Dogmen durch die Pandemie zu retten. Währenddessen weisen Kritiker*innen darauf hin, dass diese Regeln und Dogmen schon im Normalzustand der Bildungsaufgabe nicht gerecht wurden.

Schulische Abseitsfalle

Ilka Hoffmann / Frankfurter Rundschau / 27.04.2020

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Lehrerin mit Mundschutz unterrichtet eine Klasse

 


Inklusion

Auf der Insel Rügen gibt es keine Förderschule Lernen oder Emotionale Entwicklung mehr. Hier klappt, was anderswo für unmöglich erklärt wird.

Insel Rügen ohne Förderschule: „Schüler lernen gemeinsam mehr“

Ostsee Zeitung / 27.04.2020

Zum Artikel (Paywall)

Eine Frau und zwei Männer im Gespräch


Exklusion / 1

In den schulpolitischen Ressorts vieler Medien genießt das System Förderschule einen ausgezeichneten Ruf. Nebenan in den Boulevard-Ressorts herrscht eine andere Sicht der Dinge. Hier wundert sich niemand, wenn ein Showbiz-Promi sich für seine Förderschul-Zeit schämt.

Geständnis im TV „Promis unter Palmen”-Star war auf der Sonderschule

Express / 14.04.2020

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Portrait von Tobias Wegener


Exklusion / 2

Ausbau und Erweiterung des Förderschulsystems machen auch in Pandemie-Zeiten keine Pause. Zwei Berichte für den Merkzettel – nur für den Fall, dass der Rheinisch-Bergische Kreis oder der Kreis Soest demnächst klagen, sie hätten kein Geld für die Inklusion:

Kurze Wege für ein besseres Lernen zum neuen Schuljahr

RP Online / 04.04.2020

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Schüler bekommen mehr Platz: Jakob-Grimm-Grundschule erhält Erweiterungsbau

Soester-Anzeiger / 07.04.2020

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Historie

Der deutsche Sonderweg, Schüler*innen mit Behinderung von den anderen Kindern und Jugendlichen zu trennen und in getrennten Schulen zu unterrichten, hat eine lange Tradition. Da lohnt ein Blick auf die Geschichte - und auf so manche Wiederholung.

Warum wir nicht einfach Inklusion machen: Ein Blick auf die Entwicklung des Sonderschulsystems

Dr. Jennifer Lambrecht / Blog Elfenbeinhochhaus  / 08.04.2020

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Screenshot des Blogs, Bild eines Notizbuchs.


Bluttest auf Trisomien

Dass der vorgeburtliche Bluttest auf Trisomien von den Krankenkassen bezahlt wird, ist beschlossen. Umgesetzt werden kann das aber erst, wenn es eine offiziell beschlossene Patienteninformation gibt. Den Entwurf hat das IQWiG – Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen – jetzt veröffentlicht. Die Frist für Stellungnahmen ist der 29. Mai.

Info-Broschüre zum Bluttest auf Trisomien: Jetzt Stellung nehmen!

mittendrin e.V. / 11.03.2020

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Logo IQWIG und Titel des Entwurfs der Patientenbroschüre


 

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