Inklusions-Pegel Juli 2023
Neues zum Thema Inklusive Bildung, liebe Leute!
Heute erhalten Sie eine neue Ausgabe unseres Newsletters INKLUSIONS-PEGEL, dem Folgeprojekt unserer Kampagne zum Film DIE KINDER DER UTOPIE. Hier berichten wir jeden Monat, was in Deutschland rund um die Umsetzung von Artikel 24 — inklusive Bildung — der UN-Behindertenrechtskonvention passiert. Dabei versuchen wir einerseits, die Bundesländer und Kommunen als Akteure der Schulpolitik im Blick zu behalten, und andererseits, die Nachrichten nach bundesweiter Relevanz zu filtern.
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Ihr mittendrin e.V.
Am 13. Dezember 2006 hat die Bundesregierung in der UNO-Generalversammlung der Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention zugestimmt. Zwei Jahre später haben der Bundestag und die Länderkammer Bundesrat diesen Beschluss ratifiziert. Damit haben wir uns verpflichtet, die allgemeingültigen Menschenrechte auch für Menschen mit Behinderung zu garantieren. Dies gilt für alle Lebensbereiche, vom Gewaltschutz über den Zugang zu einer qualitativen Gesundheitsversorgung, die Zugänglichkeit des öffentlichen Lebens und des Arbeitsmarktes bis zur vollen Teilhabe am allgemeinen Schulsystem.
Die Bundesregierung hat also unterschrieben, dass in Deutschland ein inklusives Schulsystem aufgebaut wird. Leider ist das nach nunmehr 17 Jahren nicht geschehen. In den meisten Bundesländern gibt es eben keinen planmäßigen Aufbau inklusiver Bildung. Es wird verschleppt, verzögert, ausgewichen oder die Aufgabe wird einfach liegengelassen. Anstatt das Sonderschulsystem nach und nach abzubauen, werden vielerorts sogar neue zusätzliche Sonderschulen gebaut.
Und was sagt die Bundesregierung dazu? Sie zuckt mit den Schultern und verweist bedauernd auf den Föderalismus und die Zuständigkeit der Länder für das Schulsystem. Diese Taktik hat schon 2015 bei der ersten Staatenprüfung durch den UN-Fachausschuss nicht funktioniert. Die UNO lässt den Föderalismus nicht als Entschuldigung für einen Bruch der Konvention durchgehen. Deutschland hat wegen der fehlenden Fortschritte bei der inklusiven Bildung eine diplomatisch kaschierte, aber deutliche Rüge kassiert. Nur haben das damals in Deutschland Politik und Medien entweder nicht verstanden oder schlicht ignoriert.
Nun steht Ende August die nächste Staatenprüfung an. Und die Entschuldigung mit dem Förderalismus ist noch fadenscheiniger geworden, als sie es 2015 schon war. Die nächste Rüge ist absehbar. Und dieses Mal dürfte offensichtlich werden, wie sehr Deutschland sich hier auf internationaler Ebene blamiert.
Die Themen im Juli
Staatenprüfung
Am 29./30. August muss die Bundesregierung bei der UNO in Genf darlegen, wie sie die UN-Behindertenrechtskonvention umgesetzt hat. Bei der inklusiven Bildung wird das peinlich. Und damit das auch niemand übersehen kann, haben sich Eltern aus mehreren Bundesländern in Genf verabredet, um für Öffentlichkeit zu sorgen. Mitstreiterinnen* willkommen!
Jede*r wird bei der Staatenprüfung in Genf an uns vorbei müssen
kobinet
Staatenprüfung Österreich
Auch Österreich muss in der aktuellen Sitzungsperiode des UN-Fachausschusses zur Staatenprüfung antreten, ein paar Tage früher als Deutschland. Der Behindertenrat schildert die Lage wie folgt:
Behindertenrat informiert UN: Behindertenrechtskonvention unzureichend umgesetzt
OTS
Berlin 1
Und wie ist die Lage nach 14 Jahren Rechtsgültigkeit der UN-Behindertenrechtskonvention für Schülerinnen* in Berlin? Eltern berichten, dass zunehmend Kinder vom Unterricht ausgeschlossen werden:
Inklusion an Schulen: Der lange Weg
nd-aktuell
Berlin 2
Ebenso unzufrieden wie die Eltern sind die Lehrerinnen* mit der Situation an Berliner Inklusionsschulen:
Sonderpädagogik ist einer der ersten Bereiche, wo gestrichen wird
rbb 24
Nachwuchs 1
Würzburger Sonderpädagogik-Referendarinnen* haben die Initiative „all in“ gegründet. Sie verlangen von Bayern, endlich die inklusive Bildung voranzubringen, anstatt sich weiter hinter dem sogenannten „bayerischen Weg“ zu verstecken.
Wir möchten laut werden und möglichst viele Menschen erreichen, denn Inklusion geht uns alle was an! Demokratie braucht Inklusion!
Eine Schule für Alle in Bayern e.V.
Nachwuchs 2
Ein elfjähriger Schüler in Nordrhein-Westfalen langweilt sich im Unterricht und macht sich Gedanken, wie Schule für Schülerinnen* mit hoher Begabung inklusiver werden könnte:
Ich mache das für alle, für die dieses Schulsystem nicht geeignet ist
Redaktionsnetzwerk Deutschland
Ambulanz
In vielen Bundesländern ist Förderzentrum nur ein neuer Name für Sonderschulen. In Schleswig-Holstein ist das anders. Dieses Förderzentrum in Schwarzenbek unterstützt Schülerinnen* mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Regelschulen, anstatt sie zu exkludieren:
Förderzentrum Schwarzenbek organisiert Inklusion in der Schule
Lübecker Nachrichten
Baustreik
Die Lebenshilfe Freising will keine neue Sonderschule bauen, weil das nicht zum Auftrag passt, ein inklusives Schulsystem aufzubauen. Das ist eine Erkenntnis, die sich in Bayern und vielen anderen Bundesländern herumsprechen sollte. Nur schade, dass die Alternative unter den Bedingungen des bayerischen Schulrechts die Einrichtung von sogenannten Partnerklassen ist. Für die Schülerinnen* eine Chance auf etwas mehr Integration. Eine selbstverständliche Inklusion bringen solche halbgaren Lösungen leider nicht voran.
Lebenshilfe Freising will aus gutem Grund kein neues Förderzentrum bauen: Inklusion statt Isolation
Merkur
Verhältnismäßigkeit
Eine Kommune in Mecklenburg-Vorpommern weigert sich lange, einem blinden Jungen für die inklusive Schule ein Notebook zu bezahlen. Die Alternative wäre gewesen, einen Internatsplatz für den Besuch der Sonderschule zu finanzieren. Das verstehe wer will:
Landkreis lehnt Notebook für blinden Pepe ab
svz
Zum Artikel (Paywall)
Die Kommentatorin der Regionalzeitung versteht es jedenfalls nicht:
Zum Artikel (Paywall)
Diagnosen 1
Die Zahlen der Schülerinnen* mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf steigen. Viele, so ist zu befürchten, werden fälschlicherweise als behindert diagnostiziert. Unter den betroffenen Kindern sind sehr sehr viele aus Migrantenfamilien. SEIT JAHREN reden wir uns darüber den Mund fusselig: gegenüber Politikerinnen*, aber auch gegenüber Migrantinnen*verbänden. Doch die meisten wollen das nicht hören. Vielleicht ändert sich das jetzt:
Bildungsausschluss durch Inklusion: bevorzugt nach Herkunft
migazin
Diagnosen 2
Auch in Österreich steigen die Diagnosezahlen und auch dort sind überproportional häufig Kinder aus Migrantencommunities betroffen:
Sonderpädagogischer Förderbedarf: Echte Lernbeeinträchtigung oder falsches Etikett?
Der Standard
Arbeit 1
Die Berufsorientierung für Schülerinnen* mit intellektuellen Einschränkungen ist weithin ein Trauerspiel. Eine Schule in Berlin entwickelt Wege, den Automatismus WfbM zu vermeiden:
Fit für den ersten Arbeitsmarkt: Einzigartiges Projekt in Berlin-Schöneberg für Jugendliche mit geistigen Einschränkungen
Tagesspiegel
Arbeit 2
In der Doku „Zum Schwarzwälder Hirsch“ hat der Koch Tim Mälzer eine Gruppe von Menschen mit Trisomie 21 angeleitet eine Gaststätte zu betreiben. Das war sehr schön und sichtlich herausfordernd. Deutlich herausfordernder aber waren die anschließenden Versuche, den Teilnehmerinnen* einen nachhaltigen Weg auf den Arbeitsmarkt zu bahnen. Und das lag nicht an den Teilnehmerinnen* und meistens auch nicht an den Unternehmen…
„Unfassbar dämlich!“: Tim Mälzer rechnet in VOX-Inklusionsdoku mit Arbeitsamt ab
prisma
Arbeit 3
Hier ein positives Beispiel:
Tim Mälzer hilft junger Gocherin mit Down-Syndrom
Rheinische Post
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