Inklusions-Pegel - Der Newsletter zu inklusiver Bildung in Deutschland

Inklusions-Pegel Juli 2022

Neues zum Thema Inklusive Bildung, liebe Leute!

Heute erhalten Sie eine neue Ausgabe unseres Newsletters INKLUSIONS-PEGEL, dem Folgeprojekt unserer Kampagne zum Film DIE KINDER DER UTOPIE. Hier berichten wir jeden Monat, was in Deutschland rund um die Umsetzung von Artikel 24 — inklusive Bildung — der UN-Behindertenrechtskonvention passiert. Dabei versuchen wir einerseits, die Bundesländer und Kommunen als Akteure der Schulpolitik im Blick zu behalten, und andererseits, die Nachrichten nach bundesweiter Relevanz zu filtern.

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Ihr mittendrin e.V.

Kommentar: Die Eule spricht

Ein Thema lässt die Akteure der Schulpolitik auch während der Sommerpause in diesem Jahr nicht los: der akute und sich absehbar zuspitzende Mangel an Lehrkräften in allen Bundesländern. Schon jetzt können vielerorts freie Stellen allenfalls noch an den Gymnasien besetzt werden. Bei Lehrerinnen* für alle anderen Schulformen ist der Arbeitsmarkt so gut wie leergefegt. Besonders dramatisch scheint der Mangel an Sonderpädagoginnen*. In Förderschulen ebenso wie im Gemeinsamen Lernen bleiben Lehrerinnen*stellen unbesetzt, weil es einfach keine Bewerberinnen* gibt. Aus Förderschulen berichten uns Eltern bereits über generelle Unterrichtskürzungen.

Doch warum ist gerade bei den Sonderpädagoginnen* der Mangel so groß? Es wurde über Jahre hinweg zu wenig ausgebildet, kritisieren Gewerkschaften, Lehrerinnen*verbände und so manche Oppositionspartei. Das Angebot an ausgebildeten Sonderpädagoginnen* sei gesunken.

Ein weiterer Faktor wird jedoch kaum diskutiert, und das ist die wachsende Nachfrage durch die stetig steigende Zahl an Schülerinnen* mit sonderpädagogischen Diagnosen. Warum immer mehr Schülerinnen* eine Behinderung zugeschrieben wird, hat bisher noch kein Schulministerium gründlich hinterfragt. Nimmt wirklich die Zahl der Behinderungen zu? Oder werden zunehmend Schulschwierigkeiten jeglicher Art zur Sache der Sonderpädagogik erklärt?

Die Folge ist jedenfalls: Je mehr Schülerinnen* einen offiziell festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf haben, desto mehr Stellen für Sonderpädagoginnen* müssen eingerichtet und besetzt werden, um die beschlossenen Schüler-Lehrer-Relationen einzuhalten. Bis hierhin verstanden? So zieht eine Fehlentwicklung, wenn sie nicht korrigiert wird, stets die nächsten Probleme nach sich.

Die Themen im Juli

Baden-Württemberg

Im südwestlichen Bundesland ist die SPD in der Opposition. Die AG Bildung der Partei in der Region Heidelberg/Rhein-Neckar kritisiert die Versäumnisse der Landesregierung beim Aufbau der inklusiven Bildung und fordert, die Inklusion ins Zentrum der Landesschulpolitik zu stellen.

SPD-AfB Rhein-Neckar/Heidelberg:
Grundlegende Reform bei inklusiver Bildung nötig

WiWa-lokal

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Hessen

Die hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Katja Leikert hat dem Inklusionsnetzwerk Hanau und Main-Kinzig-Kreis ihre Unterstützung zugesagt. Das Elternnetzwerk fordert einen Ausbau der inklusiven Bildung vor allem in der Sekundarstufe und die Einrichtung einer Inklusionsberatungsstelle für Eltern.

„Inklusion kommt allen zugute“

Vorsprung

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Vier Frauen stehen nebeneinander und lächeln.


Niedersachsen 1

Das Regionale Landesamt für Schule und Bildung in Hannover wollte ein Förderprogramm für die berufliche Orientierung von Schülerinnen* mit Behinderung streichen. Nach heftigen Protesten lenkte das Amt kurz vor den Ferien ein.

„Gerade noch die Kurve gekriegt“

mittendrin Hannover

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Kopf des Briefbogen von Mittendrin Hannover


Niedersachsen 2

Vier Jahre lang hat Henri von der Heide die Otfried-Preußler-Grundschule in Hannover besucht. Die Eltern sind mit der inklusiven Bildung ihres Sohnes, der mit einer Trisomie 21 lebt, rundum zufrieden: „Wir sind absolut bestärkt, dass Inklusion funktioniert“. Jetzt wechselt Henri für die Sekundarstufe zusammen mit einigen Mitschülerinnen* auf die Tellkampfschule am Maschsee. Die Mutter ist zuversichtlich. Doch sie weiß auch: „Inklusion ist leider noch häufig ein Glücksfall, nicht jede Schule hat die Kapazitäten oder den Willen, allen Kindern Teilhabe zu gewähren. Auch fehlende Finanzierung ist ein Riesenproblem. Wir hatten großes Glück mit der Otfried-Preußler-Schule.“

Ende der Grundschulzeit: Henri freut sich aufs Gymnasium

Neue Presse

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Drei Kinder stehen nebeneinander, lachen und haben die Arme über die Schultern gelegt. Eines der Kinder hat das Down-Syndrom.


Niedersachsen 3

Fast kein Bundesland hat bisher entschieden, im Zuge der inklusiven Entwicklung auch bestimmte Förderschulen planmäßig zu schließen. Niedersachsen ist mit seinem Beschluss zum Auslaufen der Förderschule Lernen die Ausnahme. Doch jetzt

Gegen Inklusion: FDP will Volksbegehren für Erhalt von Förderschule Lernen starten

News4Teachers

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Ein Junge mit dunklen kurzen Haaren schaut eindringlich fordernd.

 


Meck-Pomm

In der mecklenburgischen Seenplatte haben die Behörden die Zahl der Schulen mit ergänzenden Förderklassen für Schülerinnen* mit Behinderung reduziert. Die Eltern befürchten nun, dass Kinder mit höherem Unterstützungsbedarf auf die Förderschulen gedrängt werden.

Elternvertreter zweifeln am Inklusionsplan für die Seenplatte

Nordkurier

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Ein Mann steht am Rednerpult. Hinter ihm ist eine Folie an die Wand projiziert, auf der „Landkreis Mecklenburgische Seenplatte“ steht.


Berlin Spezial

Auf den Inklusions-Pegel vom Juni haben uns zwei Beschwerden erreicht. Die ehemalige Berliner Schulsenatorin und ehemalige Vorsitzende des Fachbeirats Inklusion, Sybille Volkholz, und der Leiter des neuen Fachbeirats Inklusion, Mario Dobe, verwehren sich heftig gegen die Behauptung, Berlin habe seine Schulen „kaputtgespart“ und die Inklusion „ruiniert“. Dobe schreibt uns, dass er die Berliner Schulen im Gegenteil auf einem besonders guten Weg sieht:

Die Stadt nehme bei den Bildungsausgaben pro Schülerin* mit 12.100 Euro sogar den Spitzenplatz unter den 16 Bundesländern ein. Die Entwicklung zur inklusiven Schule habe deutliche Fortschritte gemacht. Der Inklusionsanteil liege inzwischen bei 72 Prozent, die Exklusionsquote liege mit 2,4 % besonders niedrig.

Für die Inklusion habe Berlin die Personalstellen für Sonderpädagogen im Gemeinsamen Unterricht auf 2.500 verdoppelt. Es seien 13 Schulpsychologische und Inklusionspädagogische Beratungs- und Unterstützungszentren eingerichtet worden. Die Ausgaben für Schulbegleiterinnen* hätten sich mehr als verdreifacht, auf 32 Millionen Euro.

Zudem hätten Schülerinnen* mit sonderpädagogischem Förderbedarf einen schulgesetzlichen Anspruch auf den Besuch einer allgemeinen Schule und die Qualität sei mit der Einführung eines inklusiven Rahmenlehrplans gefördert worden, informiert Dobe.

Zeigt diese Auswahl an Daten, dass alles in Ordnung ist an Berlins Schulen und insbesondere bei der Inklusion? „Wir sind noch nicht zufrieden mit der Entwicklung“, räumt Mario Dobe ein.

Viele Lehrerinnen* und Eltern sind jedoch gar nicht zufrieden und haben sich zum Bündnis „Schule muss anders“ zusammengeschlossen. Sie verweisen darauf, dass sich die Zahl der Schülerinnen* mit sonderpädagogischem Förderbedarf innerhalb von zehn Jahren verdoppelt habe und viele der Personalstellen für Lehrerinnen* und Sonderpädagoginnen* gar nicht besetzt seien. An vielen Schulen würden Sonderpädagoginnen* im Vertretungsunterricht eingesetzt anstatt in der sonderpädagogischen Förderung. Sie vermissen, dass der Rahmenlehrplan für gute Inklusion in den Schulen auch umgesetzt würde und sie berichten, dass der Anspruch von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung auf Besuch einer Regelschule immer noch unter Ressourcenvorbehalt steht und die Schulen die Aufnahme ablehnen können.

Wie ist also die Situation der Schulen und der inklusiven Bildung in Berlin? Wir stellen hier noch einmal aussagekräftige Veröffentlichungen zusammen:


Berlin Spezial 1

Tausend Lehrerinnen*stellen an Berliner Schulen werden zum neuen Schuljahr unbesetzt sein. Jede dritte Lehrkraft ist Quereinsteigerin* ohne Lehramtsstudium. Der Tagesspiegel sieht den Grund dafür in fehlenden Studienplätzen an den Berliner Universitäten – und in der langjährigen Praxis des Landes Berlin, Lehrerinnen* nicht mehr zu verbeamten:

Die Berliner Schule verschlingt ihre Kinder

Der Tagesspiegel

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Berlin Spezial 2

Als die Berliner Landesregierung im März ihren Haushaltsentwurf vorlegte, gingen Lehrerinnen* und Eltern im Bündnis „Schule muss anders“ gegen Kürzungen im Schulbereich auf die Straße. Sie kritisierten, dass auch für den Ausbau der Lehrerinnen*ausbildung nicht genug Geld eingeplant sei.

Protest gegen Kürzungen in Berlin

Berliner Morgenpost

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Berlin Spezial 3

Im vergangenen Jahr hat der Tagesspiegel die Inklusion an Berliner Schulen genauer betrachtet. Die ehemalige Schulsenatorin Sybille Volkholz ist stolz auf Geschafftes, beschreibt aber Probleme für Schülerinnen* mit Schwerbehinderung und kritisiert, dass Schulen ihre Sonderpädagoginnen* einfach als Vertretungslehrerinnen* einsetzen. „Berlin hat ein großes Problem. Es gibt mehr Geld aus als fast alle anderen Bundesländer, erreicht aber nur sehr schwache Ergebnisse bei den Schülerleistungen.“

„An den Übergängen haben wir große Probleme“

Der Tagesspiegel

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Berlin Spezial 4

Gilt das Recht auf inklusive Bildung in Berlin in der Praxis auch für Schülerinnen* mit geistiger Behinderung? Eltern berichten vom Klinkenputzen an den Schulen und von fehlender Förderung. Zusätzlich steigt die Zahl von Kindern, denen dieser Förderschwerpunkt zugeschrieben wird, doppelt so schnell wie Berlins Gesamtschülerinnen*zahl. Die Förderschulen sind voll. Vor zwei Jahren kündigte die Schulsenatorin an, 800 neue Plätze in Förderschulen zu schaffen, obwohl dies der inklusiven Entwicklung zuwiderläuft.

Senat baut Förderplätze für „Geistige Entwicklung“ aus

Der Tagesspiegel

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Berlin Spezial 5

Im Frühjahr vermeldete die Senatsverwaltung Bildung im Abgeordnetenhaus, die Inklusion an den Grundschulen sei bereits vollständig umgesetzt. Eltern erkannten in dieser Aussage ihre Lebensrealität nicht wieder. Genau wie Lehrerinnen* zeigten sie sich „hochgradig irritiert“

Inklusion vollständig umgesetzt? Offener Brief an die Senatsverwaltung für Bildung

Berliner Bündnis für schulische Inklusion

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Berlin Spezial 6

Im Frühsommer protestiert das Bündnis für schulische Inklusion über neue Zumessungsrichtlinien der Senatsverwaltung. Demnach plane die Behörde den Anspruch schwerer behinderter Schülerinnen* auf sonderpädagogische Förderung von 8 Stunden auf drei Stunden pro Woche zusammenkürzen.

Förderstunden sind unverhandelbar! Offener Brief an die Senatsverwaltung für Bildung

Berliner Bündnis für schulische Inklusion

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Berlin Spezial 7

Das Berliner Bündnis „Schule muss anders“, das sich auch für den Aufbau guter inklusiver Bildung engagiert, lädt für September zu einem „Bildungsfestival“ ein. Nähere Info bald auf dieser Homepage:

Bildungsfestival „Bildungsgerechtigkeit – Deine Stimme zählt“

Schule muss anders

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NIPT

Restplätze für die Jahrestagung: „Der NIPT auf Trisomien als Kassenleistung: selbstbestimmte Entscheidung oder gesellschaftlich erwünschte Selektion?“

Es sind noch 20 weitere Plätze für die Tagung zu vergeben!

Deshalb: Herzliche Einladung vom 23. bis 25. September ins Bildungs- und Begegnungszentrum Clara Sahlberg Koblanckstraße 10, 14109 Berlin-Wannsee. Es erwartet Sie ein interessantes Programm mit ausgewiesenen Expert:innen, die zu einem aktuellen und höchst umstrittenen Thema referieren und das alles an einem attraktiven Tagungsort!

Alle Infos zur Anmeldung

Bild vom Koalitionsvertrag. „Zukunftsvertrag für Nordrhein Westfalen“ steht in großer grüner Schrift über der schwarzen Unterzeile: „Koalitionsvereinbarung von CDU und GRÜNEN. 2022 - 2027“

 


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