Inklusions-Pegel - Der Newsletter zu inklusiver Bildung in Deutschland

Inklusions-Pegel Mai 2022

Neues zum Thema Inklusive Bildung, liebe Leute!

Heute erhalten Sie eine neue Ausgabe unseres Newsletters INKLUSIONS-PEGEL, dem Folgeprojekt unserer Kampagne zum Film DIE KINDER DER UTOPIE. Hier berichten wir jeden Monat, was in Deutschland rund um die Umsetzung von Artikel 24 — inklusive Bildung — der UN-Behindertenrechtskonvention passiert. Dabei versuchen wir einerseits, die Bundesländer und Kommunen als Akteure der Schulpolitik im Blick zu behalten, und andererseits, die Nachrichten nach bundesweiter Relevanz zu filtern.

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Ihr mittendrin e.V.

Kommentar: Die Eule spricht

Ach, was war das für ein Theater bei der Verabschiedung der Föderalismus-Reform im Jahre 2006! Mit allen Mitteln und letzter Konsequenz haben die Länder damals ihre Kultushoheit verteidigt. Schulpolitik wurde zur vornehmsten und unverzichtbaren landespolitischen Aufgabe stilisiert. Am Ende wurde dem Bund sogar grundgesetzlich verboten, den Ländern Geld für ihre Schulen zu geben – alles aus Angst, Berlin könne das Geld nutzen, um den Landesregierungen bei den Schulen hineinzureden.

Wie die Zeiten sich wandeln: Jetzt liegt im Jahre 2022 in Nordrhein-Westfalen ein Schulministerium sozusagen auf der Straße, und keine* will es haben. Für die Koalitionärin (in spe) CDU ist das einfach. Sie hat weder schulpolitische Vorstellungen, wie die immensen Bildungsprobleme in NRW angegangen werden könnten, noch das geeignete politisch kompetente Personal für diesen Posten. Da erwartet man* nichts.

Aber was ist mit den Grünen los? Hier steht eine Partei vor der Regierungsverantwortung, die ein demokratisches Schulsystem für nachhaltige und gerechte Bildung zu ihren Kernthemen zählt. Doch weil die Partei seit 2017 die Legende pflegt, sie habe die Landtagswahl wegen der inklusiven Bildung verloren, würde sich das aktuelle grüne Spitzenpersonal offenbar lieber einen Arm abhacken, als wieder Verantwortung für die Schulpolitik zu übernehmen. Stattdessen will man zusehen, wie der Koalitionspartner die letzten noch vorhandenen Erfolge der grünen Regierungszeit abreißt und Schülerinnen* mit Behinderung mit einem wohlmeinenden Tätscheln wieder in die Sonderschulen expediert?

Sicher, so eine schwarz-grüne Klima-Koalition hat mehr Sex. Aber wollten nicht auch die Grünen einmal richtige Politik für die ganze Gesellschaft machen? Politik heißt, die eigenen politischen Ziele zu verfolgen und den gewünschten Wandel zu gestalten. Und ja, dabei kann man sich manchmal die Finger verbrennen. Dann kühlt man die Wunden, lässt sie heilen und analysiert unterdessen, wo vielleicht ein Fehler lag und wie man das im nächsten Anlauf besser machen kann. Alles andere ist keine Politik. Es ist der Beginn der Rutschbahn in den Opportunismus.

Die Themen im Mai

Regierungsbildung 1

In NRW ist gerade der Versuch zu besichtigen, zwecks Regierungsbildung schulpolitische Vorstellungen zweier Parteien übereinander zu bekommen, die bisher nur schwer zusammenpassen. Bei der inklusiven Bildung gelang das im Sondierungspapier von CDU und Grünen nur mittels Sprachakrobatik und Verdrehung von Tatsachen. „Inklusive Bildung an Förderschulen“ gibt es nicht und wer so formuliert, will nicht politisch gestalten, sondern täuschen. Nebenbei: Im ebenfalls schwarz-grünen Sondierungspapier aus dem Bundesland Schleswig-Holstein ist die inklusive Bildung nicht einmal erwähnt…

Schulische Inklusion wirksam umsetzen

GRÜNE NRW

Zum Sondierungspapier

Bild vom Sondierungspapier


Regierungsbildung 2

Auch die Redaktion des Nachrichtenportals News4Teachers wundert sich über den schwarz-grünen politischen Neusprech mit der angeblichen inklusiven Bildung an den Förderschulen „(was dem Sinn nach gar keine Inklusion ist)“. Vor allem wundert sie sich darüber, dass auch die nächste Regierung überlegt, die ruinöse parallele Förderung von Gemeinsamem Lernen und Förderschulen fortzuführen: „Was das Papier verschweigt: Doppelte Strukturen zu unterhalten, bedeutet wesentlich höhere Kosten.“

10.000 zusätzliche Lehrkräfte, „A13 für alle“ (schrittweise), Inklusion an Förderschulen: Was Schwarz-Grün bei der Bildung tun will

news4teachers

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Portrait von Hendrik Wüst.


Arbeitsauftrag

Unklar ist, ob die Neu-Koalitionärinnen* in Düsseldorf wirklich informiert sind, welches Desaster sie bei der inklusiven Bildung von der Vorgängerregierung übernehmen. Unerfüllte Personalversprechen, frustrierte Kollegien, ungebremster Anstieg der festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarfe, eine zerbröselte Willkommenskultur der Schulen für Schülerinnen* mit Behinderung, entmutigte Eltern, denen für das Recht ihrer Kinder auf inklusive Bildung mehr Steine in den Weg gelegt als Unterstützung geboten wird. Eine Aufarbeitung am Beispiel der Situation in Köln:

Inklusion: Bis zu 30 Prozent der Schüler mit Förderbedarf – aus falschen Gründen

Kölner Stadt-Anzeiger

Zum Artikel (Paywall)

Eine Person im Rollstuhl sitzt mit anderen in einem Klassenzimmer und arbeitet.


Nachlese

Fünf Jahre lang war die FDP-Politikerin Yvonne Gebauer Schulministerin des Landes Nordrhein-Westfalen. Sie hat das Reformprojekt der inklusiven Bildung auf Eis gelegt und die Förderschulen beworben und gestärkt. Sie hat Qualitätskriterien für das Gemeinsame Lernen verkündet, aber nicht für die Umsetzung gesorgt. Sie hat die Schaffung von zusätzlichen Lehrerstellen verkündet, die niemals besetzt werden konnten. Auf diese Art hat sie lange Zeit in der schulpolitischen Mediendiskussion gut abgeschnitten. Am Ende zeigte spätestens ihr Corona-Management, dass die Substanz fehlt.

Den Absturz vor Augen

Süddeutsche Zeitung

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Joachim Stamp redet stark gestikulierend.


Politik 1

… heißt, politische Ziele zu formulieren, dafür zu werben und sie im Falle der Regierungsübernahme mit konkreten Maßnahmen umzusetzen. Warum das bei der inklusiven Bildung bisher nicht gut gelungen ist, stellte vor der NRW-Wahl der SPD-Schulpolitiker Jochen Ott in seinem Podcast zur Diskussion:

Ottcast – Der schulpolitische Podcast mit Jochen Ott

Spotify

Zum Podcast

Rote Fläche mit weißer Schrift: Ottcast, Jochen Ott. Daneben steht ein Icon von einem Mikrofon.


Politik 2

Wie lange dauert es, bis Schülerinnen*, Lehrerinnen* und Eltern auf die Straße gehen, wenn eines der reichsten Länder der Erde sein Schulsystem kaputtspart und die Bildung immer größerer Gruppen von Kindern und Jugendlichen vernachlässigt? In Berlin scheint der Punkt überschritten und der Druck der Straße wirkt.

Neuer Doppelhaushalt in Berlin: Der Aufstand der Zivilbevölkerung wurde erhört

Berliner Zeitung

Zum Artikel

Eine Gruppe von Menschen steht hinter einen lila Banner mit orangefarbenem Schriftzug „Schule muss anders“.


Bewegung

Bayern gehört zu den Bundesländern, die der Verpflichtung der UN-Behindertenrechtskonvention nach inklusiver Bildung von Beginn an mit Tarnen und Täuschen begegnet sind. Im Ergebnis steigt dort die Förderschulquote anstatt zu sinken. Doch die Zivilgesellschaft wird lauter. Zur Veranstaltung „Tempo machen für Inklusion“ reisten Teilnehmerinnen* aus dem ganzen Bundesland an:

Tempo machen für Inklusion

eine-Schule.de

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Eine Gruppe Menschen steht auf einer Bühne. Hinter Ihenen is ein Bild auf die Wand projiziert mit dem Schriftzug „Inklusion in Bayern: Vorwärts statt rückwärts!“


Aufklärung

Auch im grün-schwarz regierten Baden-Württemberg wird viel von Inklusion geredet, die bei näherem Hinsehen gar keine ist. Um diesem Etikettenschwindel etwas entgegenzusetzen, hat die LAG Gemeinsam leben – gemeinsam lernen ihre „Inklusionsbeobachtung“ wieder aufgenommen:

Inklusionsbeobachtung

LAG-BW

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Bildschirmfoto der Internetseite der LAG – Landesarbeitsgemeinschaft Baden-Württemberg Gemeinsam leben – gemeinsam lernen e.V.


Köln 1

Die Verteilung der Schulplätze in der Sekundarstufe ist dieses Mal in Köln zum Chaos geraten. Um einem Gerichtsurteil zu folgen, erlaubte die Stadt den Eltern, ihre Kinder zum 5. Schuljahr gleich an mehreren Schulen anzumelden. Verschärft durch den eklatanten Mangel an Schulen in Köln wurden Eltern und Kinder in mehrfachen Anmelderunden zunächst an den Gesamtschulen und folgend an den Gymnasien zur Verzweiflung getrieben. Lokalpolitiker empörten sich darüber, dass Kinder im Ergebnis mehr als zehn Kilometer Schulweg zum Gymnasium quer durch die Stadt auf sich nehmen müssen. Das ist unzumutbar.

Allerdings: Für viele Schülerinnen* mit Behinderung ist dies in Köln schon seit Jahren so. Es kümmert nur niemanden. Der Kölner Stadt-Anzeiger resümiert die Folgen so: Viele Eltern von Kindern mit Behinderung zögen „angesichts der immensen Belastung durch das Bringen und Holen irgendwann die Reißleine und wechseln auf die Förderschule.“ Ihr Fazit: „Man gibt vor, Inklusion vorantreiben zu wollen. Aber in der Realität tut man nichts dafür, sie auch zu ermöglichen.“

„Über uns redet keiner“ Warum Inklusionskinder in Köln das Nachsehen haben

Kölner Stadt-Anzeiger

Zum Artikel (Paywall)

Kinder arbeiten in einem Klassenzimmer. An einem Tisch sitzt ein Kind im Rollstuhl.


Köln 2

Zum Aufbau der inklusiven Bildung gehört es auch, Schülerinnen* mit Behinderung und deren Familien zum inklusiven Weg zu ermutigen. Nach der UN-Behindertenrechtskonvention ist dies eine Aufgabe für alle staatlichen Ebenen. Umgesetzt wird das in Deutschland fast nirgendwo, von fast keiner Landesregierung und fast keiner Kommune. Zu den wenigen Ausnahmen gehört die frisch veröffentlichte Broschüre zum Gemeinsamen Lernen in Köln.

Gemeinsames Lernen – Inklusive Bildung an Kölner (Grund-) Schulen

bildung.koeln

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Titelblatt von einer Broschüre mit dem Schriftzug „Gemeinsames Lernen – Inklusive Bildung an Kölner (Grund-) Schulen“. Dahinter liegt ein Bild von jubelnden Kindern.


Inklusion und Nixklusion

Seit unglaublichen 300 Wochen veröffentlicht der Blog kirstenmalzwei.de jeden Montag eine wahre Geschichte aus dem Leben von Kindern und jungen Leuten mit Behinderung. Jede liefert einen ungeschönten und unbestechlichen Blick auf den Ist-Stand der Inklusion in unserem Land. Hier ein Interview mit den Macherinnen:

Interview mit „Nixklusion“

Flaschenpost

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Bunte Strichmenschen stehen lachend unter einem Bogen.


Web-Schule

Die scheidende NRW-Landesregierung will die Bochumer Web-Schule nicht mehr mit der Abnahme von Abschlussprüfungen unterstützen. Dies geht auf Kosten vieler Web-Schülerinnen*, darunter etlichen mit Behinderung. Inzwischen hat die Web-Schule gegen die Landesregierung geklagt – und verloren.

Web-Individualschule scheitert vor Gericht

WDR

Zum Artikel

Eine junge Frau mit dunklen Haaren sitzt vor einem Bildschirm, auf dem ein Vogel zu sehen ist und eine Person in einer Videokonferenz.


Pränataltests

Seit dem 9. Mai ist der nicht-invasive Pränatal Test auf Trisomien (NIPT) Kassenleistung. Dieser Beitrag rollt noch einmal auf, warum die gängigen Narrative, die das Zulassungsverfahren geprägt und letztlich entschieden haben, nicht haltbar sind:

Bluttests auf Down-Syndrom als Kassenleistung – Ethik und Elternglück

Deutschlandfunk

Zum Beitrag

Eine Hand in blauem Gummihandschuh hält ein Reagenzglas mit der Aufschrift „NIPT\


 

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