Inklusions-Pegel - Der Newsletter zu inklusiver Bildung in Deutschland

Inklusions-Pegel Oktober 2021

Neues zum Thema Inklusive Bildung, liebe Leute!

Heute erhalten Sie eine neue Ausgabe unseres Newsletters INKLUSIONS-PEGEL, dem Folgeprojekt unserer Kampagne zum Film DIE KINDER DER UTOPIE. Hier berichten wir jeden Monat, was in Deutschland rund um die Umsetzung von Artikel 24 — inklusive Bildung — der UN-Behindertenrechtskonvention passiert. Dabei versuchen wir einerseits, die Bundesländer und Kommunen als Akteure der Schulpolitik im Blick zu behalten, und andererseits, die Nachrichten nach bundesweiter Relevanz zu filtern.

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Ihr mittendrin e.V.

Kommentar: Die Eule spricht

Sehr geehrte Damen und Herren vom Landschaftsverband Rheinland (LVR), herzlichen Dank an dieser Stelle für diese Auszeichnung und die vielen lobenden Worte! Wir freuen uns sehr, dass der LVR entschieden hat, unseren Elternverein mittendrin e.V. für das Engagement für Inklusion – insbesondere das Engagement für inklusive Bildung – mit dem Rheinlandtaler in der Kategorie „Gesellschaft“ auszuzeichnen.

(Rede bei der Festveranstaltung zur Verleihung des „Rheinlandtalers“ an den Elternverein mittendrin e.V. am 30.09.2021 in Köln)

Unser Verein wird im November dieses Jahres 15 Jahre alt. In der Vorbereitung dieses Jubiläums haben wir uns auch selbst mit der Frage beschäftigt: Wer sind wir und was zeichnet unsere Arbeit aus? Die Antwort lautet letztlich immer: Wir sind eine ziemliche Zumutung!

Wir sind eine Zumutung, weil wir von ganzen Systemen – und damit auch von den Menschen, die in diesen Systemen arbeiten – verlangen, sich zu verändern. Kritisch zu hinterfragen, ob das eigene Handeln Inklusion befördert oder behindert. Und das Handeln gegebenenfalls zu verändern.

Allgemein haben wir in den vergangenen Jahren die Erfahrung gemacht, dass man nur selten Blumen dafür bekommt, eine Zumutung zu sein. Umso mehr freuen wir uns darüber, dass der LVR unsere Zumutungen wertschätzt. Dass er sie sogar als preiswürdig erachtet. Dass er mit diesem Preis anerkennt, dass Systeme für Fortschritt und Veränderung eine starke zivilgesellschaftliche Kraft von außen brauchen. Und dass der konstruktive Streit, den wir immer wieder miteinander führen, unsere Gesellschaft in Richtung des Ziels der Inklusion voranbringt.

Vielleicht sollten wir noch erklären, wie wir zu einer solchen Zumutung geworden sind. Der Elternverein mittendrin e.V. hat sich ja nicht entlang parteipolitischer Ideen zusammengefunden und auch nicht anhand einer abstrakten Reformidee.

Wir haben erlebt und erfahren, wie die Welt sich verändert, wenn man sie aus der Sicht unserer Kinder mit Behinderung sieht. Wir haben erlebt, wie all die vielen Spiel-, Freizeit- und Gruppenangebote für Kinder aus unserem Blick verschwanden – weil sie für unser Kind nicht gedacht waren. Wir haben erlebt, dass der Kindergarten um die Ecke sich nicht zuständig fühlte. Wir haben erlebt, dass unserem Kind die örtliche Grundschule verschlossen blieb und die Nachbarskinder sich dort auf dem Schulhof andere Freundschaften suchten. Wir haben vermisst, dass diese Gesellschaft unser Kind an allen ihren Orten einfach aufnimmt und teilhaben lässt – anstatt ihnen zwar umfangreiche Unterstützung anzubieten, aber nur, wenn sie sich aus dem vertrauten Umfeld in Sonderwelten entfernen. Diese Erlebnisse haben uns als junge Eltern zutiefst verletzt. Und wir teilen sie mit all den Eltern, deren Kinder der LVR in seine Förderschulen aufgenommen hat.

Wir Eltern von Kindern mit Behinderung sind eine Community. Wir kennen uns aus Krankenhäusern und Arztpraxen, wir kennen uns aus Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen und Frühförderzentren. Wir haben die gleichen Wünsche und Hoffnungen für das Leben unserer Kinder.

Wir wünschen uns, dass sie als Kinder gemeinsam mit den Nachbarskindern auf den Spielplätzen im Wohnviertel spielen. Dass sie sich als Jugendliche trauen, ihre Neigungen und Talente in Sportvereinen, Theaterworkshops oder Roboter-Laboren zu erproben. Dass sie eine gute Bildung erhalten. Um dann als Erwachsene das Zutrauen in sich selbst zu haben, sich mit den eigenen Fähigkeiten in diese Gesellschaft einzubringen.

Und weil wir die gleichen Erlebnisse und Wünsche haben, pflegen wir privat und auch im mittendrin e.V. langjährige und vertrauensvolle Verbindungen zu Eltern, deren Kinder auf Förderschulen unterrichtet werden. Eine ganze Reihe von ihnen sind Mitglieder in unserem Elternverein. Keine von ihnen beschreiben uns die Förderschule als ein an sich besseres System. Es gab für ihr Kind nur vor Ort keine oder keine gute und passende inklusive Schule. Es gab kein Willkommen, keine Ermutigung, nicht ausreichend Unterstützung. Mit einem wirklichen Elternwahlrecht zwischen zwei guten Alternativen hat das nichts, aber auch gar nichts zu tun. Unseren Einsatz für eine Verbesserung der Verhältnisse finden sie deshalb gut. Das in der Politik zuweilen gehandelte Bild von einer Spaltung zwischen Förderschuleltern und Inklusionseltern ist nicht unsere Lebensrealität. Man sollte auch nicht versuchen, sie uns einzureden.

Der mittendrin e.V. ist also nichts weiter als ein Elternverein, der – zugegeben – laut und nervig für das Recht von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung streitet, in die Mitte dieser Gesellschaft aufgenommen zu werden und teilhaben zu können. Im Ziel sind wir uns mit dem LVR also einig. Wie der Weg dahin gelingt und wie der LVR dazu den besten Beitrag leisten kann: Darüber wollen wir gerne weiter mit Ihnen streiten.

Wir danken Ihnen nochmals herzlich für die Auszeichnung. Und nehmen den Rheinlandtaler als Einladung an, Ihnen auch in Zukunft – konstruktiv! – auf die Nerven gehen zu dürfen.

Die Themen im Oktober

Etikettenschwindel

Im Kreis Unna ändert eine Förderschule ihren Namen und entscheidet sich ausgerechnet für Deutschlands ersten Vorkämpfer des Gemeinsamen Lernens, Jakob Muth. Wie kommt man bloß auf solche Ideen?

Kritik an Benennung von Förderzentrum nach Jakob Muth

kobinet Nachrichten

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Hand, deren Daumen nach unten zeigt.


Bundesregierung

Das Institut für Menschenrechte hat Eckpunkte formuliert, was die kommende Bundesregierung für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention leisten muss.

Empfehlung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in der 20. Wahlperiode

Deutsches Institut für Menschenrechte

Zum Dokument

Logo vom Deutschen Institut für Menschenrechte. Darunter steht : Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, Empfehlung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in der 20. Wahlperiode (2021-2025), 11 Eckpunkte


Europa

Inclusion Europe hat als Vertretung der Angehörigen von Menschen mit geistiger Behinderung aus mehreren Ländern Europas ein neues Positionspapier zur inklusiven Bildung formuliert. Tenor: die Zeit der Schwerpunktschulen, Leuchtturmprojekte und Modellregionen muss beendet werden. Es ist Zeit für den nächsten Schritt: ein insgesamt inklusives Schulsystem.

Why we care about education

inclusion europe

Zum Positionspapier

Logo von inclusion europe. Daneben steht Ambitions. Rights. Belonging. Darunter steht: Why we care about education, Inclusion Europe position paper on inclusive eduction, 2021


Kein Urteil

Das Bundesverfassungsgericht hat die Beschwerde einer Schülerin aus Rheinland-Pfalz zurückgewiesen, die vom Jugendamt – mit Hilfe der Einschränkung des elterlichen Sorgerechts – zum Wechsel auf eine Förderschule gezwungen worden war. Doch offenbar schließt das Gericht damit mögliche zukünftige Verfahren in ähnlich gelagerten Fällen nicht aus. Denn es begründet die Ablehnung ausdrücklich mit seiner Sicht auf diesen Einzelfall.

Inklusion nicht um jeden Preis

taz

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Brustbild von einem Mitglied des BVG in roter Robe


Keine Inklusion

Eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin bringt das Land Rheinland-Pfalz in Bedrängnis. Das dortige System von „Schwerpunktschulen“ sei gescheitert und lässt das Land bei der Inklusion weit hinter andere Bundesländer zurückfallen.

„Inklusion findet faktisch nicht statt“: Verriss von Schwerpunktschulen-Modell

news4teacher

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Mädchen mit Brille, rosa Mütze, Down-Syndrom und fragendem Blick.


Kein Fortschritt

Bemerkenswerte Entwicklung in Nordrhein-Westfalen: Mehr Inklusion, gleichzeitig mehr Förderschüler*innen und insgesamt immer mehr Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf. So etwas passiert, wenn man deutlich sichtbaren Fehlentwicklungen jahrelang tatenlos zuschaut.

Mehr Schüler mit besonderem Förderbedarf in NRW

Zeit

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… wie so etwas passiert…

zeigt die Wortmeldung eines Grundschulleiters aus Köln, der schwierige Lebenslagen von Kindern – auch verursacht durch die Corona-Pandemie – offensichtlich nicht von Behinderung unterscheiden kann oder will und für viele Kinder gleich nach dem Schulanmeldegespräch die Feststellung sonderpädagogischer Förderbedarfe betrieben hat. Er hält 20 bis 30 Prozent seiner Schüler*innen für sonderpädagogisch förderbedürftig. Und stellt sich offenbar nicht die Frage, wo diese Etikettierungsschwemme enden soll.

Pandemie – Drei Viertel der Kölner Erstklässler ohne Schuleinangsuntersuchung

Kölner Stadt-Anzeiger

Zum Artikel (Paywall)

Lehrerin spricht gestikulierend zu der Klasse.


… und was daraus folgt

Die steigenden Zahlen von festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarfen ziehen Probleme nach sich. In Köln hat sich die Zahl der Schüler*innen mit dem Stempel „Geistige Behinderung“ über die Jahre verdoppelt. Dadurch sind nun auch die Förderschulen wieder überfüllt, so dass jetzt in der allgemein maroden Schulgebäudelandschaft der Stadt verzweifelt nach Ausweichquartieren gesucht wird und unzumutbare Zustände entstehen.

Entsetzen über Zustände an Kölner Förderschule

t-online

Zum Artikel

Drei Bilder nebeneinander: Ein dunkler Schulgang, ein trister Schuleingang, nasse Toiletten


­Keine Staatenprüfung

Corona hat den Zeitplan des UN-Fachausschusses in Genf durcheinandergebracht. Der 2. Staatenbericht Deutschlands wird deshalb auch im kommenden Jahr nicht geprüft werden können.

Staatenprüfung Deutschlands frühestens im Frühjahr 2023

kobinet-Nachrichten

Zum Artikel

UN-Flagge mit Text Behindertenrechtskonvention im Hintergrund


Keine Ausrede

Wie inklusive Bildung gelingt, weiß man in Österreich genau. Flächendeckend umgesetzt wird sie nicht, trotz eindeutiger Positionierung des Europarats.

Diskriminierung durch Sonderschulen

Der Standard

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Eine Frau und viele Kindern laufen durch einen Schulgang mit bunten Bildern.


Keine Bildungsgerechtigkeit

Die Zeiten sind längst vorbei, in denen Bildungsgerechtigkeit nur Politikerinnen* und Meinungsmacherinnen* aus dem eher linken politischen Spektrum wichtig war. Jetzt beschreibt der Focus die Misere und fordert mehr Anstrengungen und die Umsetzung der inklusiven Bildung, um das Zurücklassen von Kindern im Schulsystem zu beenden.

Bildungsgerechtigkeit in Deutschland: Wie fair ist unser Land wirklich?

Focus

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Leeres Klassenzimmer. Die Stühle stehen auf den Tischen.


Strategie

Auf welche Widerstände eine Politik für inklusive Bildung in Deutschland stößt und welche Strategien dabei entstehen, lässt sich über die vergangenen Jahre gut beobachten. Es hat sich gezeigt, dass es nicht reicht, nur Gesetze zu verändern. Der Aufbau von inklusiver Bildung ist eine anspruchsvolle Management-Aufgabe. Der ehemalige Berliner Staatssekretär Mark Rackles beschäftigt sich mit Handlungsmöglichkeiten.

Was meinen Sie mit Abwehrmechanismen gegen schulische Inklusion?

Schule21

Zum Artikel

Grundschüler und -schülerinnen arbeiten in einem Klassenzimmer


Sprache I

Vor fünf Jahren begann in Erfurt der Versuch, eine inklusive Klasse zweisprachig in deutscher Lautsprache und deutscher Gebärdensprache zu unterrichten und damit gehörlosen Kindern ein optimales Setting für Bildung und für Teilhabe zu bieten.

Vom Experiment zum Vorzeigemodell –
Das Erfurter Inklusionsmodell

BR Fernsehen

Zur Sendung

Zwei Erwachsene und mehrerKinder sitzen im Kreis auf dem Boden und spielen.


Sprache II

Die Kultusministerinnen*konferenz hat jahrelange Forderungen tauber Menschen akzeptiert und die Deutsche Gebärdensprache als Wahlpflichtfach zugelassen. Es bleibt vorerst abzuwarten, ob Schulen dies umsetzen.

Wahlpflichtfach Deutsche Gebärdensprache muss mehr als eine Empfehlung sein

kobinet Nachrichten

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Portraitfoto des Bundestagsabgeordneten Sören Pellmann


Lehrerinnen*bildung

Die Universitäten Paderborn und Bielefeld wollen gemeinsam mit Grundschullehrerinnen* Handlungspläne zur Verbesserung der Didaktik in inklusiven Klassen entwickeln.

Forschungsprojekt zu Inklusion im Unterricht startet

Rollingplanet

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Eine Frau und vier Schülerinnen und Schüler sitzen um einen Tisch und arbeiten an einer Aufgabe.


Lehrerinnen*bildung II

Die Uni München bietet einen Weiterbildungsstudiengang zur Pädagogik für Schülerinnen* mit Autismus an.

Pädagogik bei Autismus: Neuer Studiengang an LMU München

Sonntagsblatt

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Gute Nachrichten

Schlecht geredet wird über Inklusion genug. Netzwerk Artikel 3 hat jetzt ein Portal für gute Nachrichten zur Inklusion gestartet. Es soll der Ermutigung dienen und zum Nachahmen anregen.

Projekt „Gute Nachrichten zur Inklusion“ gestartet

kobinet Nachrichten

Zum Artikel

Logo: Gute Nachrichten zur Inklusion


Förderschule/Übergang Schule/Beruf

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit ist der Frage nachgegangen, ob Schülerinnen* der Förderschule Lernen beim Einstieg ins Berufsleben benachteiligt sind gegenüber Jugendlichen, die inklusiv gelernt haben. Alle Daten, die vorhanden sind, deuten darauf hin.

Jugendliche aus Förderschulen mit Schwerpunkt „Lernen“ – Schwieriger Übergang in Ausbildung und Arbeitsmarkt

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

Zum Bericht

Titelblatt des IAB-Kurzberichts


Jubel

Wir feiern #15Jahremittendrin! Was passiert, wenn eine Handvoll Eltern die Gesellschaft für ihre Kinder mit Behinderung verändern will? In unserer kleinen Online-Jubiläums-Kampagne erzählen wir einen Monat lang jeden Tag auf unserer Internetseite, bei Facebook, Instagram und Twitter eine Geschichte: mit wichtigen Meilensteinen der Bewegung, Erzählungen von Menschen, deren Leben die Inklusion geprägt hat – und Lobhudeleien von langjährigen Wegbegleiter*innen unserer Arbeit. Kinder, was haben wir geschafft!

mittendrin wird 15 Jahre alt

mittendrin e.V.

Zur Website

Logo des mittendrin e. V., darunter steht #15 Jahre mittendrin, wir feiern online. Inklusion schaffen wir.


 

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