Inklusions-Pegel September 2020
Ausgabe Nr. 9
Neues zum Thema Inklusive Bildung, liebe Leute!
Heute erhalten Sie eine neue Ausgabe unseres Newsletters INKLUSIONS-PEGEL, dem Folgeprojekt unserer Kampagne zum Film DIE KINDER DER UTOPIE. Hier berichten wir jeden Monat, was in Deutschland rund um die Umsetzung von Artikel 24 — inklusive Bildung — der UN-Behindertenrechtskonvention passiert. Dabei versuchen wir einerseits, die Bundesländer und Kommunen als Akteure der Schulpolitik im Blick zu behalten, und andererseits, die Nachrichten nach bundesweiter Relevanz zu filtern.
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Ihr mittendrin e.V.
Manchmal braucht das Denken viel Zeit, um die Richtung zu ändern. Seit Jahren schon räumen beim Deutschen Schulpreis die inklusiven Schulen die Auszeichnungen ab. Weil sie auf aktivierende Unterrichtsmethoden und moderne Pädagogik setzen. Weil sie der Schulentwicklung Raum geben. Weil sie individuell fördern, ihre Schüler:innen ermutigen und dem Lernen weniger Grenzen setzen. Weil sie mit diesen Methoden die Vielfalt ihrer Schüler:innen nutzen, anstatt die eine Hälfte der Klasse zu frustrieren und die andere Hälfte abzuhängen.
Beim Deutschen Schulpreis ist Inklusion das Erfolgsmodell. Allein, die üblichen Teilnehmer:innen der bildungspolitischen Debatten verschließen davor hartnäckig die Augen.
Man möchte sie schütteln und sagen: Schaut doch mal hin, in Deutschlands beste Schulen. Schaut nicht nur nach, in welches Bundesland der Preis gegangen ist. Fragt nach, warum diese Schulen Inklusion eben nicht als Belastung empfinden, sondern als Belebung. Fragt, warum an diesen Schulen ein Unterricht in heterogenen Klassen gelingt, der in Parlamenten und Medien so oft als unmöglich beschrieben wird. Fahrt doch mal hin und schaut Euch an, wie dort Kinder lernen, die - ganz ohne Behinderung - in weiten Teilen unserer Schullandschaft in immer größerer Zahl abgehängt werden. Debattiert doch einmal darüber, was diese Schulen so erfolgreich macht. Und dann zieht Eure Schlüsse daraus für eine zukunftsfähige Schulpolitik.
Zugegeben, Ihr müsstet alte Gewissheiten überprüfen. Aber ist das zu viel verlangt?
Die Themen im September
Deutscher Schulpreis
Wieder einmal ist es eine inklusive Schule, die als beste Schule Deutschlands mit dem renommierten Deutschen Schulpreis ausgezeichnet worden ist…
Deutscher Schulpreis geht an inklusive Grundschule in Hannover
zeit online / 23.09.2020
… und auch bei den Nebenpreisen und im Kreis der Nominierten sind inklusive Schulen breit vertreten:
Kinderschule Bremen ist der Gewinner der Herzen
Frank Hethey / Weser-Kurier / 24.09.2020
Bewegung 1
Meistens steht die Elternbewegung allein da, wenn es um die Durchsetzung des Rechts auf inklusive Bildung geht. Ändert sich das nun? Nach Hamburg und Nordrhein-Westfalen hat sich jetzt auch in Berlin ein breites Bündnis für Inklusion zusammengefunden:
Neues Berliner Inklusionsbündnis will echte Teilhabe
Raul Krauthausen / 23.09.2020
Bewegung 2
„Ein Blick in die Bibel zeigt: Jesus von Nazareth ist einer, der Inklusion gelebt hat.“ Tatsächlich gehört Inklusion zweifelsfrei zum Markenkern des christlichen Glaubens. Schade, dass sich die Kirchen nur selten so klar zur schulischen Inklusion bekennen wie hier:
Christusdorn: Bildung „all inklusive“
Jana Lenz / tlz / 06.09.2020
Bewegung 3
Vielerorts in Deutschland sind Eltern von Kindern mit Behinderung es gewohnt, dass sich in Sachen Inklusion nichts bewegt, wenn sie es nicht selbst in die Hand nehmen. Ein Beispiel aus der Stadt des Sport-Förder-Giganten Bayer Leverkusen:
Inklusionspreis für Laufinitiative
Fabian Schmitt / rp-online / 27.09.2020
Rechtswirklichkeit
Die Einschulung eines Kindes mit Behinderung ist für Eltern in Deutschland ein Vollzeit-Job. Glauben Sie nicht? Dann schauen Sie sich den Comic-Blog von Nadine Kulis an:
Schule gesucht – Teil 2
Nadine Kulis / nadinekulisart / 04.09.2020
Corona 1
Die UNESCO hat ihren diesjährigen Weltbildungsbericht unter dem Eindruck der Corona-Pandemie dem Thema Inklusion gewidmet. „Inklusion und Bildung: Für alle heißt für alle“, lautet der Titel. Das ist so einfach formuliert, dass es wirklich niemand missverstehen kann. Bei der Vorstellung des Berichts legte der Staatssekretär des Bundesbildungsministeriums noch ein Bekenntnis obendrauf: „Unser Anspruch ist es, Bildung auf allen Ebenen inklusiv zu gestalten.“ Deutet sich hier ein Strategiewechsel der bisher in Sachen schulischer Inklusion weitgehend untätigen Bundesregierung an?
Chancengerechte Bildung: Pandemie droht Ungleichheiten zu verstärken
bildungsklick / 23.09.2020
Corona 2
Auch in Bayern kommen Stimmen gegen Ausgrenzung nun von ungewohnter Seite. Barbara Stamm will mit ihrer Wortmeldung verhindern, dass die inklusive Entwicklung in Zeiten von Corona Schaden nimmt. Für alle jüngeren Leser:innen muss hier ergänzt werden, dass Barbara Stamm in Bayern lange Jahre Sozialministerin, stellvertretende Ministerpräsidentin und Präsidentin des Landtags gewesen ist. Vielleicht hätte sie sich früher darauf besinnen sollen, in ihrem Land eine krisenfeste inklusive Entwicklung des Schulsystems zu fördern?
Inklusion: Kinder nicht ausgrenzen
Barbara Stamm / Mittelbayerische / 03.09.2020
Corona 3
In der Corona-Krise drohen noch mehr Kinder und Jugendliche von guter Bildung abgehängt zu werden. Die Bildungsgewerkschaft GEW will das zum Anlass nehmen, endlich einen Systemwechsel zur Inklusion einzuleiten.
GEW: „Corona-Krise für Systemwechsel zur Inklusion nutzen“
Ulf Rödde / GEW / 23.09.2020
Bildungsrecht 1
Esra besucht die evangelische Förderschule In der Widum im nordrhein-westfälischen Lengerich. Theoretisch. Denn praktisch darf Esra zur Zeit täglich nur zwei Stunden kommen und wird allein auf dem Schulhof oder in einem Nebenraum von eine:r vollverkittelten Lehrer:in beaufsichtigt. Ihr Recht auf Bildung und Teilhabe ist nichts mehr wert – weil sie spuckt. Wofür brauchen wir eigentlich Förderschulen, wenn dort schon spuckende Schüler:innen nicht mehr gut aufgehoben sind? Träger der Schule ist übrigens das Schulreferat der Kirchenkreise Tecklenburg und Steinfurt-Coesfeld-Borken.
Esra will doch nur zur Schule gehen
Silke Fokken und Swantje Unterberg / spiegel / 14.09.2020
Zum Artikel (Paywall)
Bildungsrecht 2
Die Wege zur Förderschule sind meist lang. Das geht nicht ohne Schüler:innentransport und den bieten Schulträger wie der nordrhein-westfälische Landschaftsverband Rheinland LVR auch als selbstverständlichen Service an. Besser gesagt: Sie boten ihn an. Bis die Corona-Krise kam und mit ihr die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im Bus.
Schule zwischen Angst und Euphorie
spiegel / 20.09.2020
Bildungsrecht 3
Auch in Wuppertal werden Schüler:innen, die keine Maske tragen können, beim Schüler:innentransport einfach stehen gelassen.
Wie Corona die Inklusion in Wuppertal ausbremst
Katharina Rüth und Daniel Neukirchen / Westdeutsche Zeitung / 31.08.2020
Bildungsrecht 4
Im niederrheinischen Kreis Viersen (der Inklusions-Pegel berichtete im August) hatte der Schulträger inzwischen ein Einsehen:
Förderschüler dürfen jetzt ohne Maske Bus fahren
rp online / 02.09.2020
Zum Artikel (Paywall)
Recht und Unrecht 1
Als die UN-Vollversammlung mit der Behindertenrechtskonvention das Recht auf inklusive Bildung feststellte, tat sie das zum Wohle der Kinder und Jugendlichen mit Behinderung. Dass Inklusion im Gegenteil als Kindeswohlgefährdung interpretiert wird, kann so auch nur in Deutschland passieren. Tatsächlich werden immer mehr Fälle bekannt, in denen Jugendämter eine Entziehung des Sorgerechts betreiben, um Kinder gegen den Willen ihrer Eltern in Sonderschulen zu zwingen. Betroffene aus Rheinland-Pfalz klagen dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht – bisher ohne Erfolg.
Inklusion als Kindeswohlgefährdung?
Volker Igstadt / Verfassungsblog / 07.09.2020
Recht und Unrecht 2
Obwohl in den meisten deutschen Schulgesetzen die individuelle Förderung verankert ist, werden Schüler:innen in vielen Schulen noch in Schubladen sortiert und unterrichtet. Schüler:innen mit Trisomie 21 zum Beispiel werden pauschal und mit größter Selbstverständlichkeit auf den Lernstoff für Menschen mit geistiger Behinderung reduziert. Das ist nicht zulässig, urteilt der Verwaltungsgerichtshof Kassel:
Recht auf bestmögliche Bildung bestätigt
Hartmut Smikac / kobinet / 10.09.2020
Bürokratie
„Kurze Beine, kurze Wege“ lautet ein Lieblingsspruch vieler Schulminister:innen. Es sei denn, es handelt sich um Grundschüler:innen mit Behinderung:
Für die Familie des siebenjährigen Maximilian mit Trisomie 21 ist der Weg zur Inklusion plötzlich steinig
Kirsten Etzold / Badische Neueste Nachrichten / 05.09.2020
Personalnot
Für immer mehr Schüler:innen mit Behinderung wird eine Schulbegleitung beantragt. Ein Boom, der durchaus auch durch die allgemein schlechte personelle Ausstattung unserer Schulen befeuert wird. In Bremen ist nun schlichtweg kein Personal mehr zu finden:
Wenn Kinder mit Förderbedarf an Bremens Schulen alleine dastehen
Heike Zeigler / buten un binnen / 09.09.2020
Lernmaterial 1
Für Lehrer:innen auf der Suche nach inklusionstauglichem Lernmaterial bietet die Aktion Mensch ihre „Bunte-Bande“-Reihe mit Begleitmaterial an:
Lernmaterial – Die Bunte Bande
Lernmaterial 2
Die Uni Bremen entwickelt als neues Projekt eine Internet-Plattform für inklusives Lernen. Zum Bedienen und Fortbilden für Lehrer:innen und Studierende:
path2 in – Lernpfade in die inklusive Pädagogik
Schreibwerkstätten
… können noch deutlich inspirierender werden, wenn sie auf eine vielfältigere Teilnehmer:innenschaft setzen. Wie das geht, stellt ein Online-Workshop des Kompetenzzentrums ibk-kubia vor – der mittendrin e.V. ist mit seiner Schreibwerkstatt auch vertreten. Jetzt anmelden:
Kreative Schreibwerkstätten für Menschen mit unterschiedlichen kognitiven Voraussetzungen
Falsche Flagge
Für Hersteller von Markenprodukten ist „Diversity“ inzwischen echt heißer Scheiß. Und Inklusion auch – irgendwie. Dumm nur und ignorant obendrein, wenn das angebliche Engagement für Inklusion sich darauf beschränkt, die Firmen-Grünanlagen von der Behindertenwerkstatt pflegen zu lassen. Zum L´Oréal-Konzern gehören übrigens auch die Marken Garnier, Essie, Maybelline, NYX Professional Makeup sowie die Ökomarken Logona und Sante:
"Wir haben eine Null-Toleranz-Politik bei unethischem Verhalten"
Daniela Furkel / HAUFE / 03.09.2020
Bluttest 1
Vor einem Jahr wurde beschlossen, dass der vorgeburtliche Bluttest auf Trisomien künftig von den Krankenkassen bezahlt werden soll. Doch es gibt Verzögerungen. Zuerst muss nämlich eine Patienteninformation über die Tests erstellt werden, und der erste Entwurf ist jetzt zurückgezogen worden. Kritiker:innen fordern abermals, dass der Bundestag sich nicht länger um das ethisch und gesellschaftlich brisante Thema herumdrücken darf:
Vorgeburtlicher Bluttest auf Trisomien: Verbände fordern Eingreifen des Bundestages
Bluttest 2
Wenn die Solidargemeinschaft der Krankenversicherten demnächst den Bluttest auf Trisomien finanziert, vermittelt sie Schwangeren den Eindruck, dass gezielte Abtreibung ein normaler gesellschaftlicher Umgang mit Behinderung sei. Wie sich das aus Sicht der Betroffenen und ihrer Familien anfühlt, beschreibt die Schauspielerin Felicitas Woll:
"Wir sind so verwöhnt"
Janna Halbroth / t-online / 23.09.2020
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